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Berichte aus der Vergangenheit (1): Das ‚Morgen‘-Land

Dienstag, November 3rd, 2009

Und täglich stirbt Winnetou.

Im Radio läuft „Life is live“ von Opus, dann „Der Kommissar“ von Falco. Das ist hier nichts seltenes. Alte Lieder, die der Renner sind.
Gibt man bereitwillig Auskunft über seine Herkunft – Deutschland – dann gibt es etwa 3 Arten der Reaktion:
1. grosse Augen und „¿¡¿Alemania?!?“
2. „Heil Hitler“ tumbes Lachen und wieder „Heil Hitler“
3. „Alemania? Aaaaaaaah! Beckenbauer! Klinsmann! Rummenigge!“
Je nach Bildung des Gegenüber fällt die Antwort aus. Das Gegenüber ist meist ein Taxifahrer. Ja, Deutschland ist was besonders. Deutschland ist ja auch weit weg. Und für viele Venezolaner unerreichbar. Deswegen gibts hier ja auch Colonia Tovar. Colonia Tovar liegt in den Bergen bei Caracas und wurde 1843 von knapp 350 Schwarzwäldern gegründet. Dank keiner befestigten Zufahrtsstrasse und Gesetze, die eine ausserkoloniale Heirat verbaten, wurde dort 100 Jahre lang schön inzestiert. Das ist also der Haupteindruck, den Venezolaner von Deutschland haben: Ferne, Hitler, Fussball, Erdbeeren, Würstchen, Fachwerkhäuser und badischer Dialekt.
Inzwischen wird dort allerdings hauptsächlich spanisch gesprochen und die Ureinwohner haben sich mit den Venezolanern gepaart.
Auf Souvenir T-Shirts heisst es „Ein kleines Stück Deutschland in Venezuela.“

Doch was ist Venezuela?
Venezuela ist ein südamerikanisches Land. Das zum einen. Zum anderen hat es die längste Karibikküste, den höchsten Wasserfall der Erde, die längste Seilbahn der Welt, eins der ältesten Gebirge des Planeten.
Venezuela hat Latin-Lover und Latina-Queens. Das Land ist eine Maschinerie der Schönheit. Ich habe selten so viele „gemachte“ Nasen und weibliche Oberweiten gesehen. Schulpflicht gibt es nicht, und so wundert es nicht, dass manche nur ihr Aussehen im Kopf haben und sonst eher wenig.
Natürlich sind nicht alle so. Aber einige.
Die Menschen hier sind äusserst freundlich. Neugierig, aufgeschlossen und hilfsbereit. Sie kennen keinen Generationenkonflikt. Hier läuft der 16-jährige Enkel mit der Oma Hand in Hand.
„Familie“ ist ein Wort, was hier sehr gross geschrieben wird. Familie fängt auch oft schon mit 16 an. Das liegt nicht an mangelnder Aufklärung. Kinder machen und kriegen ist hier einfach normal. Und: irgendwie gehts immer, da jeder jedem hilft in der Familie. Hier jedenfalls besteht die Gesellschaftspyramide: viele junge Menschen, wenig alte. Bei uns in Deutschland ist das ja andersrum.

Venezuela ist das „Morgen“-Land. Oft bekommt man die Antwort „manñana“, was direkt übersetzt „morgen“ heisst, was aber auch „in einer Woche, in einem Monat, irgendwann“ heissen kann.
Das Morgenland. Bezaubernd. Fremd. Faszinierend. Anziehend. Reich.
Venezuela ist ein reiches Land. Reich an Bodenschätzen und reich an Natur. Das Land hat alles. Karibik, Wüste, Hochgebirge, Dschungel,…
Es gibt viel zu entdecken, viel zu erobern. Poco à poco.

Und wenn der Himmel mal wieder blauer und das Wasser mal wieder grüner ist, ich wieder an den Felsen vorbeigefahren bin, die mich immer an die Winnetoufilme erinnern, die Sonne brennt und der Schweiss rinnt, der Rucksack gepackt ist und das Ticket vorgelegt ist, weiss ich, ich komme wieder. Wann? „mañana“.