under my skin…

First day.


Du bist frisch. Und ich sorge mich um dich. Als du der Folie befreit und heiß gewaschen bist, tupfe ich dich vorsichtig trocken. Du brennst, aber du scheinst keine Wunde zu sein. Einzig geschwollen die Haut, die von Nadel und Farbe durchdrungen. Ich lasse dir erstmal etwas Luft.

Später nehme Ich die Heilsalbe – etwas zu viel – und ziehe deine Linie nach. Vorsichtig. Behutsam. Solange bis ich wieder aus dem Haus gehe, bleibst du frei. Vorsichtig gleitet der frische Stoff meiner grauen Hoodiejacke über dich. Behutsam schlängele ich dich in den Ärmel der Regenjacke. Wir gehen raus.

Du bist präsent, ohne präsent zu sein. Ich spüre dich. Ich weiß, dass du da bist, auch wenn es unwirklich scheint. Wir fahren U-Bahn, fahren S-Bahn. Ich ziehe dich nahe an mich ran, dass dich ja keiner anstossen kann. Die verregnete Altonale ist unser erstes Ziel. Kurz einen Ingwertee trinken, es ist stickig und warm drinnen und du willst wieder an die Luft. Ich gebe sie dir.

Holger sieht dich und ist begeistert, schaut genauer hin. Will deine Linie nachfahren, aber ich schütze dich „Nein! Das ist doch ganz frisch!“ Er ist begeistert. Von deinen Linien. Von deiner gewollten Unperfektheit, die perfekt ist.

Du schlüpfst wieder in den Ärmel und wir machen uns auf zum Zwohören nach Wilhelmsburg. Findus spielt. Als wir ankommen, ist der Gig schon in vollem Gange. Ich freue mich, Ahab und Bernd wiederzusehen. Holger macht Ahab ein Kompliment für dich.

Nach einem schönen Abend kommt die erste Nacht mit dir. Ich wasche dich nochmals, und infolge wieder zum Schutz die Heilsalbe. Du störst mich nicht in der Nacht, dennoch schlafe ich unruhiger, schließlich will ich dich nicht verletzen.

Healing days.


Auch wenn ich dich zuhause immer nackt trage, einzig unter dem Schutzfilm der Salbe, so will ich dich im Büro noch nicht zeigen. Einzig meine befreundete Kollegin, die von deinem Termin wusste, bekommt dich zu sehen. Sie ist über deine Schlichtheit überrascht.

Am Abend läuft grad „I got you under my skin“ im Radio als du das nächste mal gesehen wirst. Ich grinse breit.

Fast jeder lange Ärmel den ich die nächsten Tage trage, bekommt einen Fettfleck von der Bepanthen. Macht nix, kann man waschen. Wichtiger ist, dass es dir gut geht. Das Prozedere wird zum Täglichen. Erst Händewaschen, dann dich waschen. Dir Luft geben, dich später dann wieder in den Schutz der Heilsalbe hüllen. Nach ein paar Tagen beginnst du zu jucken. Ich bin zum Glück niemand, der an Wunden kratzt und mich wundert auch fast, dass du keinen sicht- oder spürbaren Schorf gebildet hast. Du machst dich gut. Aber das Jucken nervt. Auch wenn es zeigt, dass du heilst. Am etwa zehnten Tag ist es warm im Büro und zudem werden Umzugskisten gepackt. Ich trau mich erst nicht, dich zu entblößen, aber Ly macht die klare Ansage: „du hast es dir bewusst an dieser Stelle gesetzt, also steh dazu.“ Es dauert ein bisschen, bis dich jemand sieht. „äh, was ist das?“ Und auch Fragen wie: „Geht das wieder weg?“ begutachten dich. Du wirst in dem doch eher konservativen Umfeld nicht ganz verstanden. Bist zu abstrakt. Bei einer gemeinsamen Pause in der Küche erkläre ich dein Konzept. Es verbündet uns und zeigt den anderen, das wir zusammen gehören.

Du polarisierst, wirst du gesehen. Viele verstehen deinen Minimalismus nicht, andere finden dich zu groß aber du weckst auch Faszination.

Du heilst. Spürbar. Das Jucken nervt wirklich. Um dem Ruhe zu geben, ziehe ich manchmal hauchdünne Cremelinien über dich.

Nach etwa 2 Wochen häutest du dich. Der leichte Schorf, den du gebildet hattest, verliert sich mehr und mehr. Nie reiben, immer nur trockentupfen. Oft frage ich mich, wie es die Tätowierten machen, deren Tataus an schwer erreichbaren Stellen platziert wurden.

3 Wochen sind vergangen, als wir zurück zum Ort der Tat gehen. Der Kontrollblick ist gefragt. Der Traktor surrt, als ich reinkomme. Flo und Bernd sind gerade am Zusammenpacken und werfen den ersten Blick auf dich. Das „Sauber, das ist echt super geheilt.“ hört Ahab nicht. Zeit für einen Scherz. Bernd: „Alter, das geht ja gar nicht. Warst du besoffen dabei?!“ Und Flo auch: „Haiaiai.“ Ahab schreckt hoch, legt eine Pause mit dem Traktor ein, aufgeregt „Zeig mal“ – ich versuche, ernst zu bleiben, als ich dich deinem Meister ganz langsam hinstrecke. Captain Ahab atmet erleichtert auf „Ihr Schweine!“ zu den Kollegen und zu mir: „Super, da braucht man nix mehr machen. Gefällt es dir immer noch?“ – „Auf jeden Fall! Es ist perfekt und es polarisiert herrlich.“

Du bist freigegeben. Wir sind jetzt eins. Endgültig.

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